Vor dem Hintergrund der derzeitigen Diskussionen rund um ein neues Europäisches Emissionshandelssystems (EU-ETS) lud der Fachverband der Stein- und keramischen Industrie gemeinsam mit dem Sozialpartner Gewerkschaft Bau-Holz zu einem Pressegespräch in Brüssel ein. Der stellvertretende Obmann des Fachverbandes, Robert Schmid, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch, sowie die Europaabgeordneten Paul Rübig (ÖVP) und Evelyn Regner (SPÖ) sprachen über die EU-Klimapolitik und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in der heimischen Industrie. Gerade die Unternehmen der Baustoffindustrie, vornehmlich kleine und mittlere Unternehmen sowie Familienbetriebe aus dem regionalen Umfeld, sind von der ETS-Reform massiv betroffen. Dabei erfüllen gerade diese Betriebe zwei wesentliche Funktionen: Zum einen fungieren sie mit ihren Baustoffen als regionale Nahversorger, zum anderen beschäftigen sie rund 55% aller Arbeitnehmer im ländlichen Bereich. In Zeiten von geringem Wirtschaftswachstum und angespannter Beschäftigungslage sind regulatorische Maßnahmen wie das EU-ETS daher mit größter Sorgfalt zu gestalten.
Mit Kanonen auf Spatzen schießen
„Kostet oder bringt die EU-Klimapolitik Arbeitsplätze?“, fragte Robert Schmid und stellte anschließend klar: „Sie kostet mehr Arbeitsplätze. Nicht weil die Politik schlecht ist, sondern wegen der Bürokratie und dem hohen Verwaltungsaufwand“. Vor allem die bürokratische Belastung und die hohen Kosten des EU-ETS stoßen bei vielen KMUs auf Kritik. Das EU-ETS ist auf internationale Konzerne ausgelegt, was sich im benötigten Finanz-, Personal- und Verwaltungsaufwand widerspiegelt. KMUs hingegen kommen zusehends unter Druck. Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen. „Wir sind derzeit ein Berater- und Zertifiziererstaat, aber irgendwann einmal gehen uns die Unternehmen verloren, die beraten und zertifiziert werden wollen. Dann haben diese Menschen auch keinen Job mehr“, stellte Schmid klar.
Vorreiterrolle der heimischen Bertriebe – Branche gerät trotzdem unter Druck
Unterstützung bekam Robert Schmid von Sozialpartner Josef Muchitsch: „Es ist aus meiner Sicht eine falsche Richtung, wenn man jene Firmen und jene Länder bestraft, wo durch grüne Energie und hohe Umweltauflagen Baustoffe produziert werden. Dabei ist Österreich ein Musterschüler in der Produktion, bei den Arbeits- und Umweltbedingungen“. Muchitsch spielte hier auf die unfairen Wettbewerbsbedingungen an, denen die österreichischen Unternehmen im Vergleich zu osteuropäischen Staaten ausgesetzt sind und die daraus resultierende Gefahr von Baustoff-Billigimporten. Außerdem betonte Muchitsch, dass zusätzliche Mittel erforderlich seien, um Investitionen und Jobs in der grünen Wirtschaft zu fördern.
Mehrere Optionen für EU-ETS: Ziel ist Win-Win Situation
„Bei der Klima- und Energiepolitik eine Win-Win Situation für beide Seiten zu erreichen“, so lautet das erklärte Ziel vom Europaabgeordneten Paul Rübig (ÖVP). Rübig erläuterte, dass derzeit mehrere Optionen für die Ausgestaltung des EU-ETS im Raum stünden. In diesem Zusammenhang warnte er davor, dass das System nicht zu einer reinen Berater- und Zertifizierungsbranche führen dürfe. Seiner Ansicht nach sollten Versteigerungserlöse aus dem EU-ETS zur Gänze der Europäischen Investitionsbank (EIB) zur Verfügung gestellt werden, um Investitionen im Industriebereich anzukurbeln. Im Hinblick auf die Lage von KMUs im EU-ETS schlug Rübig vor, den Gesetzesvorschlag auf EU-Ebene einem Impact Assessment und einem „KMU-Test“ in allen 28 Mitgliedsstaaten zu unterziehen. Auf diese Weise sollen negative Auswirkungen auf die Arbeitsplätze untersucht und verhindert werden.
Reindustrialisierung in Europa notwendig
Europaabgeordnete Evelyn Regner (SPÖ) stimmte zu, dass die Wertschöpfungskette in Europa erhalten bleiben muss. Dafür sei eine industrielle Strategie – eine Reindustrialisierung – in Europa notwendig. Um das sogenannte Carbon Leakage Risiko – also der Gefahr der Abwanderung von Unternehmen aus Europa aufgrund der hohen CO2-Kosten in Länder mit weniger strengen Klimaauflagen – hintanzuhalten, möchte sie gefährdeten Unternehmen weiterhin Gratiszertifikate zuteilen: „Dementsprechend ist auch eine Idee, dass die besten 10% der Unternehmen eines jeden Sektors mehr oder weniger eine Gratiszuteilung bekommen sollen. Es braucht eine nachhaltige und kohärente Industriepolitik“, so Regner.
Ausblick
Die ETS-Reform wird derzeit im Europäischen Parlament verhandelt. Eine Einigung mit dem Rat ist frühestens für das erste Quartal 2017 vorgesehen. Bis dahin sind die EU-Entscheidungsträger aufgefordert, vermehrt auf die schwierige Lage der KMUs im Zuge der ETS-Reform Rücksicht zu nehmen.