Dem Sommer folgt der Tag der Wahrheit – zumindest in der Wohnbaupolitik. Das Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW) erhebt jährlich die Wohnbauförderungsstatistik im Auftrag des Fachverbandes der Stein- und keramischen Industrie. Als wichtiger Indikator für den Wohnungsmarkt wirft er Licht und Schatten auf das Jahr 2015. Zwar erreichten die Wohnbaubewilligungen den höchsten Wert seit über 20 Jahren (65.700 Bewilligungen), jedoch brachen die gesamten Förderausgaben um 14% auf 2,5 Milliarden Euro ein (-420 Mio. ggü. 2014).
Für Fachverbandsgeschäftsführer Andreas Pfeiler wird hier klar ein falscher Weg eingeschlagen, wo doch riesige wohnungspolitischen Herausforderungen in den nächsten Jahren zu bewältigen sind. „Die österreichische Wohnbauförderung ist ein europäisches Erfolgsmodell. Dass nun die Förderausgaben um 14% zurückgefahren wurden, ist gerade hinsichtlich der starken Zuwanderung und des entstehenden Wohnbedarfs fatal. Diese Herausforderung muss insbesondere auch wohnungspolitisch beantwortet werden“, kommentiert Pfeiler die aktuelle Statistik. Allerdings verweist er auf die unterschiedlichen Entwicklungen einzelner Bundesländer. Während Tirol, Vorarlberg und die Steiermark die Ausgaben annähernd konstant hielten, waren sie in Salzburg, Niederösterreich, Wien und im Burgenland stark rückläufig.
Auch Wolfgang Amann, Studienautor und Leiter des IIBW, weist auf die Problematik der sinkenden Neubauförderung hin, „denn mit einem immer geringeren Anteil an kofinanzierten Wohnungsbauten kommt der öffentlichen Hand ein wichtiges Lenkungs-Tool im Wohnbau abhanden.“
Amann stellt die wichtigsten Ergebnisse der diesjährigen Studie im Detail vor:
- Spitzenwert bei Wohnbaubewilligungen: 2015 wurden 50.300 Wohnungen in neuen Wohngebäuden baubewilligt. Zusammen mit den Bewilligungen aus Sanierungen und in gemischt genutzten Neubauten wurden 65.700 Bewilligungen erteilt. Damit erreichten die Wohnbaubewilligungen im Jahr 2015 den höchsten Wert seit über 20 Jahren. Nichtsdestotrotz bestehen weiterhin Defizite in Ballungsgebieten und im Economy-Sektor.
- Starker Rückgang bei Neubauförderung: Gab es in den frühen 2000er Jahren noch ein hohes Maß an Kontinuität, so schwanken die Förderungszusicherungen seit 2009 stark. Nach einem Einbruch in den Jahren 2010-12 folgten 2013/14 starke Förderjahrgänge. Die 25.900 Förderungszusicherungen im Jahr 2015 bedeuten dazu einen Rückgang um 11% und eine Rückkehr auf das niedrige Niveau von 2011/12. Dieser Rückgang betraf 2015 vor allem den Geschoßwohnbau und insbesondere Wien.
- Bauboom durch freifinanzierten Neubau getragen: Die zunehmenden Baubewilligungen bei gleichzeitig rückläufigen Förderungszahlen ergeben einen weiter sinkenden Förderungsdurchsatz. Nur noch 30% der neu errichteten Eigenheime und 60% der Geschoßwohnungen werden mit Fördermitteln kofinanziert. In etlichen Bundesländern, u.a. in Wien, zeichnet der freifinanzierte Neubau bereits für mehr als die Hälfte des großvolumigen Neubaus verantwortlich. Daraus resultiert einerseits ein verringerter öffentlicher Aufwand, anderseits auch ein Verlust von Lenkungseffekten.
- Sanierung verliert weiter an Bedeutung: Die Sanierungsförderung sank 2015 gegenüber dem Vorjahr um 9% auf 650 Millionen Euro. Die Sanierungsrate bleibt damit weit unter dem politisch angepeilten Niveau.
Abschließend fasst Andreas Pfeiler zusammen: „Die zu erwartende stark steigende Nachfrage nach Wohnraum macht es dringend notwendig, dass den Ankündigungen nach einer Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung endlich auch Taten folgen. Der Boom bei den Wohnbaubewilligungen darf uns nicht über die gewaltigen wohnungspolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre hinwegtäuschen. Zum einen wissen wir, dass längst nicht jede Baubewilligung tatsächlich zu einem Neubau führt. Zum anderen darf die Kluft zwischen dem was leistbar ist und dem was finanziert werden kann nicht zu groß werden, sonst ist die Ghettobildung vorprogrammiert.“